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TAYLOR, JOHN

John Taylor (1808-1887), der dritte Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, wurde im englischen Ort Milnthorpe in Westmorland (dem heutigen Cumbria) als Sohn von James und Agnes Taylor geboren. Nach seinem Pflichtschulabschluß begann er mit vierzehn eine Lehre und wurde ein geschickter Dreher und Tischler. Den Großteil seiner Jugend verbrachte er in einer malerisch schönen Landschaft, die viele der besten englischen Maler, Dichter und Schriftsteller zu ihren Werken inspirierte. John Taylor war in späteren Jahren für sein Wissen auf dem Gebiet der Kultur und seine schriftstellerische Begabung bekannt.

Obwohl John Taylor ein getauftes Mitglied der Anglikanischen Kirche war, glaubte er nur an wenige ihrer Lehren und trat als Sechzehnjähriger der Methodistenkirche bei. Im darauffolgenden Jahr wurde er zum Laienprediger befördert. Später erinnerte er sich daran, wie er damals »das ganz starke Gefühl hatte, nach Amerika gehen und dort das Evangelium predigen zu müssen«. (Roberts, S. 28.) Im Jahr 1832 ging er mit seinen Eltern nach Kanada, wo er Leonora Cannon, eine gebildete und intelligente junge Frau, die von der Isle of Man stammte, kennenlernte und heiratete. In Toronto betätigte er sich als Methodistenprediger, sagte jedoch seiner Frau, daß »dies nicht das Werk ist. Es gibt noch etwas Wichtigeres«. (Roberts, S. 30.) Das Ehepaar Taylor gehörte einer Bibelstudiengruppe an, die immer wieder um die Wiederherstellung des neutestamentlichen Christentums betete. Als Antwort auf ihre Gebete lernten sie die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage kennen und ließen sich 1836 taufen. Von da an wurde der Dienst an der Kirche zu John Taylors Lebenswerk. Im Jahr 1837 zog er mit seiner Frau nach FAR WEST in Missouri, wo Taylor am 19. Dezember 1838 zum Apostel ordiniert wurde und bei der Flucht der Heiligen der Letzten Tage vor dem Pöbel und deren Sammlung in Commerce, Illinois, eine wichtige Rolle spielte. Im Jahr 1839 reiste er mit einigen anderen Aposteln nach Großbritannien, wo er Irland und die Isle of Man der Verkündung des Evangeliums weihte und sich einen Ruf als geschickter Debattierer erwarb. (Siehe MISSIONEN DER ZWÖLF ZU DEN BRITISCHEN INSELN.) John Taylor war ein mutiger Verteidiger der Kirche und des Propheten Joseph SMITH und wurde oft »Verteidiger des Glaubens«genannt.

In Nauvoo begann sein lebenslanger Dienst am Gemeinwesen. Er war Stadtrat, Militärgeistlicher, Oberst, Kriegsgerichtsrat der Stadtmiliz (der sogenannten NAUVOO-LEGION). Er war Herausgeber der Times and Seasons (1842-1846) und des Nauvoo Neighbor (1843-1846).

John Taylor befand sich mit Joseph und Hyrum SMITH im CARTHAGE-GEFÄNGNIS , als die beiden Smith-Brüder in Erwartung einer Gerichtsverhandlung wegen der Zerstörung einer mormonenfeindlichen Zeitung ermordet wurden. Taylor wurde schwer verletzt und wurde als lebender Märtyrer berühmt. Sein Tribut an die Ermordeten wurde später als Abschnitt 135 des Buches »Lehre und Bündnisse« kanonisiert.

Zwei Jahre nach Joseph Smiths Tod zog die Kirche unter Brigham YOUNGS Führung von Nauvoo aus westwärts. Während seines Aufenthalts in Winter Quarters, Nebraska, wurde Taylor auf eine Kurzzeitmission nach England entsandt, wo er Schwierigkeiten mit der dortigen Führung der Kirche beheben sollte. Nach seiner Rückkehr führte er zusammen mit Parley P. PRATT 1.500 Heilige der Letzten Tage in das Salzseetal, das sie im Herbst 1847 erreichten.

Im Jahr 1849 beantragte Taylor die amerikanische Staatsbürgerschaft und wurde noch im selben Jahr im provisorischen Staat DESERET beigeordneter Richter (1849). Von 1853 bis 1876 gehörte er der Territorialregierung an und war ab 1857 fünf Legislaturperioden lang Parteivorsitzender. Zwei Jahre lang (1868-1870) war er Nachlaßrichter des Kreises Utah und wurde 1876 Schulratspräsident des gesamten Utah-Territoriums. In all seinen öffentlichen Ämtern fühlte er sich immer von der Inspiration Gottes abhängig. »Kein Mensch oder keine Personengruppe ist aufgrund ihrer eigenen Weisheit oder Talente dazu fähig, die Menschheit recht zu regieren«, meinte er. (JD 9, S. 10.)

Im Jahr 1849 kehrte Taylor nach Europa zurück, wo er für die Missionsarbeit in Frankreich und Deutschland sowie für die Übersetzung und den Druck einer französisch-deutschen Ausgabe des Buches Mormon zuständig war. Im Jahr 1852 schrieb er das Buch The Government of God (Die Gottesherrschaft), in dem er menschliche und göttliche Herrschaftsformen miteinander verglich. »Bei Gott herrscht vollkommene Ordnung, Harmonie, Schönheit, Herrlichkeit und Erhabenheit; in menschlichen Regierungen herrscht Verwirrung, Unordnung, Unbeständigkeit, Elend, Zwietracht und Tod.« (S. 2.) Er beschrieb viele Gemeinschaften von Menschen, die an der Lösung menschlicher Probleme gescheitert sind und kam zu dem Schluß, daß die einzige Lösung darin bestehe, »daß Gottes Diener sich ihrem Vater nähern … sich seinem Schutz unterwerfen, nach seiner Weisheit und Herrschaft trachten und um seinen Segen bitten«. (S. 31.)

Während seines Europaaufenthaltes gründete er auf BrighamYoungs Anweisung hin in Liverpool die »Deseret Manufacturing Company« und erwarb um viel Geld die nötigen Geräte zur Zuckerherstellung, die nach Salt Lake City transportiert wurden. Dies war sein berühmtester Mißerfolg, denn ohne die dazu notwendigen Retorten ließ sich höchstens gute Melasse herstellen, aber nicht Zucker.

Nach Brigham Youngs Tod im Jahr 1877 wurde die Kirche durch den Rat der Zwölf Apostel geleitet. John Taylor war als amtsältester Apostel dessen Präsident und führte in dieser Funktion die Kirche, ehe er 1880 als dritter Präsident der Kirche bestätigt wurde. Sein Wahlspruch als Präsident lautete »Das Reich Gottes oder nichts!«. Seine bekannteste Leistung bestand darin, die Kirche unter dem wachsenden Druck der Mehrehengegner zusammenzuhalten; er erreichte aber noch viel mehr, besonders in den ersten Jahren seiner Amtszeit. Vier neue Missionen wurden gegründet, Mormonensiedlungen in Colorado, Wyoming und Arizona gegründet, der Bau des Salt-Lake-Tempels und des Manti-Tempels vorangetrieben und der Logan-Tempel geweiht. Zur Förderung der finanziellen Selbständigkeit der Kirche rief Präsident Taylor die Handelskammer »Zion's Central Board of Trade« ins Leben, die für die Koordinierung der Genossenschaftswirtschaft in den Pfählen der Kirche zuständig war.

Am 6. April 1880, dem fünfzigsten Jahrestag der Gründung der Kirche, gab Präsident Taylor ein Jubeljahr bekannt, wie es in alttestamentlicher Zeit stattgefunden hatte: »Mir fiel ein, daß wir, so wie dies auch in früherer Zeit geschah, etwas tun sollten, um denjenigen Erleichterung zu verschaffen, die Schuldenlasten zu tragen haben, den Bedürftigen zu helfen … und eine Zeit der Freude zu schaffen.« (Roberts, S. 333.) Die Hälfte aller Schulden, die die nach Amerika eingewanderten Heiligen der Letzten Tage dem AUSWANDERUNGSFONDS schuldig waren (ca. 802.000 Dollar), wurde ihnen erlassen, sowie tausend Kühe und fünftausend Schafe an die Armen verschenkt, was den starken Verlust an Tieren während der heftigen Winterstürme wettmachen sollte.

Im Oktober 1880 wurde die »Köstliche Perle«, eine Sammlung alter und zeitgenössischer heiliger Schriften in den Kanon der heiligen Schriften aufgenommen; die Neuausgabe des Buches »Lehre und Bündnisse«, die viele Querverweise und Erklärungen enthielt, wurde herausgegeben, und die Primarvereinigung für die Kinder sowie die Gemeinschaftliche Fortbildungsvereinigung junger Damen wurden zu kirchenweiten Institutionen.

Während der ersten Jahre seiner Amtszeit, als Präsident Taylor noch Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel war, setzte er die von Brigham Young begonnene Änderung der Funktionen der Ämter im Priestertum fort, ebenso die Neudefinition bestimmter Verhältnisse. Das Amt eines Siebziger im Melchisedekischen Priestertum wurde nun innerhalb eines Kollegiums auf Pfahlebene ausgeübt. Das Verhältnis des Bischofs einer Gemeinde zu den Priestertumsträgern sowie das des Aaronischen zum Melchisedekischen Priestertum wurde klargestellt. Wöchentliche Sitzungen der Bischofschaften sowie monatliche Pfahlpriestertumsversammlungen wurden eingeführt. Die Pfahlpräsidenten wurden angewiesen, vierteljährliche Pfahlkonferenzen unter dem Vorsitz der Ersten Präsidentschaft abzuhalten. Präsident Taylor verfaßte das kurze Büchlein Items on Priesthood (1881), um den Priestertumsträgern wirkungsvoller dienen zu helfen. Er schrieb das Buch The Mediation and Atonement of our Lord and Savior Jesus Christ (1882) als Zeugnis für die hervorragende Rolle des Sohnes Gottes bei der Errettung der Menschheit. Dieses Buch besteht aus einer Zitatensammlung aus den heiligen Schriften in Zusammenhang mit dem Sühnopfer Jesu Christi und aus Kommentaren zu deren Aussagen.

Obwohl Präsident Taylor wußte, daß Gehorsam gegenüber den Autoritäten der Kirche Kraft und Einheit brachte, betonte er auch oft die Wichtigkeit der allgemeinen Zustimmung: »Die Herrschaft Gottes besteht nicht darin, … daß ein einzelner diktatorisch regiert und alle anderen ohne Meinungsäußerung gehorchen. Wir haben unsere Meinung und unsere Entscheidungsfreiheit und handeln in vollkommener Freiheit.« (1987, S. 321.) Ein von ihm immer wieder angesprochenes Thema war seine Liebe zur Freiheit und sein Haß der Sklaverei: »Ich bin ein freier Mann Gottes und kann und werde kein Sklave sein!« (Roberts, S. 42.) Wegen seines so deutlich ausgeprägten Freiheitssinnes wurde er »Verfechter der Freiheit« genannt.

Präsident Taylor war 1,80 m groß und wog 90 Kilo. Er hatte große Hände, ein ovales Gesicht, eine hohe Stirn und tiefe, graue Augen. Als junger Mann hatte er braunes, lockiges Haar, das gegen Mitte seines Lebens silbergrau wurde. Er war von gerader Haltung, kleidete sich anspruchsvoll und war höflich, würdevoll, gütig, umgänglich und freundlich. Er sprach ruhig und bedächtig und hatte eine klare, laute und wohlklingende Stimme. Er erzählte gerne Geschichten, hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor und wenn er herzlich lachte, wurde dabei sein ganzer Körper geschüttelt. Seine Ansprachen bereitete er im allgemeinen nicht vor, sondern verließ sich gänzlich auf Inspiration. Gestik verwendete er nur selten, aber wenn, dann wirkungsvoll. Er war ein begabter Dichter. Seine Texte wurden für mehrere Lieder der Kirche verwendet.

Als Privatmann war Präsident Taylor ein gütiger und liebevoller Ehemann und Vater. Als ihm der Prophet Joseph SMITH die Mehrehe gebot, heiratete er sieben Frauen und zeugte fünfunddreißig Kinder. Er strengte sich besonders an, seine Familien gerecht und unparteiisch zu behandeln. Die genaue Anzahl seiner Ehefrauen sowie deren Namen stehen nicht hundertprozentig fest. Sicher war er jedoch mit Leonora Cannon, Elizabeth Haigham, Jane Ballantyne, Mary Ann Oakley, Sophia Whitaker, Harriet Whitaker und Margaret Young verheiratet.

Während Präsident Taylors Amtszeit wurde die Kirche immer stärker verfolgt. In den Südstaaten der USA wurden drei Missionare ermordet, und der amerikanische Innenminister bemühte sich darum, Mormonen gesetzlich an der Einwanderung in die USA zu hindern, indem er sie infolge der Lehre der Kirche von der Mehrehe als potentielle Gesetzesbrecher darstellte. Im Jahr 1882 wurde vom amerikanischen Kongreß das Edmunds-Gesetz erlassen, das die Mehrehe zu einem Verbrechen machte. Als Folge dieses Gesetzes durften Polygamisten nicht wählen, kein öffentliches Amt bekleiden oder als Geschworene fungieren. Die Generalautoritäten der Kirche besprachen die Lage der Kirche sowie die Aussichten auf Aufnahme des Bundesstaates Utah in die Union. Wilford WOODRUFF schrieb später: »Präsident Taylor und wir alle sind zu dem Schluß gelangt, daß wir weder das Reich Gottes noch irgendeines seiner Gesetze und Grundsätze gegen eine Bundesstaatsregierung eintauschen können.« (Wilford Woodruff, Tagebuch, 27. November 1882.) Die zunehmende Verfolgung der Polygamisten, die allgemeinhin als »Kreuzzug« bezeichnet wurde, führte zur Verhaftung und Einkerkerung hunderter Männer und Frauen. Präsident Taylor wies die in Mehrehe lebenden Heiligen der Letzten Tage an, nach Mexiko oder Kanada zu flüchten und begab sich mitsamt seinen Ratgebern aus der Öffentlichkeit in den »Untergrund«. In seiner letzten öffentlichen Ansprache sagte er: »Ich möchte jedem Menschengesetz gehorsam sein und mich ihm unterwerfen. Soll ich das Gesetz Gottes also mißachten? Besitzt irgendein Mensch das Recht, mein Gewissen oder euer Gewissen zu beherrschen? … Kein Mensch hat das Recht dazu.« (JD 26, S. 152.)

Nach Erlaß des Edmunds-Tucker-Gesetzes im Jahr 1887 wurden die Verfolgungen noch schlimmer. Das Frauenwahlrecht wurde widerrufen, Frauen wurden gezwungen, vor Gericht gegen ihre Ehemänner auszusagen, die Kirche enteignet und ein Großteil ihres Eigentums fiel der amerikanischen Regierung anheim. Zweieinhalb Jahre lang leitete Präsident Taylor die Kirche aus dem Exil. Diese Belastung war seiner Gesundheit äußerst abträglich. Er starb während seines Aufenthaltes auf der Farm des Thomas F. Roueche in Kaysville in Utah, am 25. Juli 1887 an Herzversagen. Wegen seiner beinahe tödlichen Verwundungen im Carthage-Gefängnis und seines Opfers für religiöse Grundsätze wurde er als zweifacher Märtyrer verehrt.

BIBLIOGRAPHIE

Gibbons, Francis M. John Taylor: Mormon Philosopher, Prophet of God. Salt Lake City, 1985.

Roberts, B. H. The Life of John Taylor. Salt Lake City, 1963.

Smith, Paul Thomas. »John Taylor.« Präsidenten der Kirche. L. Arrington, Hrsg., S. 74-114. Salt Lake City, 1987.

Taylor, John. The Gospel Kingdom: Selections for the Writings and Discourses of John Taylor. G. Homer Durham, Hrsg. Salt Lake City, 1987.

Taylor, Samuel W. und Raymond W. Taylor. The John Taylor Papers, Records of the Last Utah Pioneer: Bd. 1, 1836-1877, The Apostle; Bd. 2, 1877-1887, The President. Redwood City, Kalifornien, 1984-1985.

PAUL THOMAS SMITH