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DIE KUMRAN SCHRIFTROLLEN

[Dieser Beitrag besteht aus zwei Teilen:
Überblick
Die Perspektive der Heiligen der Letzten Tage]

ÜBERBLICK

Der Hauptteil der Kumran Schriftrollen, etwa 600 Manuskripte, umfasst die Zeitspanne von etwa 250 vor Christi (B.C.E) bis 68 (C.E.) Andere Arbeiten aus der Süd-Jordanischen Senkung, besonders die von Nahel Hever und Nakal Seelim, stammen aus der Zeit von 131 bis 135 C.E Massada produzierte Material von dem ersten Jahrhundert vor Christi bis 73 nach Christi.

Die Manuskripte enthalten Abschnitte aller hebräischen Schriften (außer Esther; siehe Altes Testament und mehr als eine Variante von vielen. Zum Beispiel: Die drei Samuel Manuskripte von Kumran sind viel umfassender als solche der Masoretischen Bibel (der traditionelle Text) Es wurden auch Fragmente von apokryphischen und pseudepigraphischen Büchern gefunden, ebenfalls Manuskripte von bisher unbekannten Werken, dazu gehören eine Tempelrolle, ein Handbuch für Disziplin und eine Danksagungsrolle.

Es war nötig, das Verständnis der Schriftrollen erneut in drei Kategorien zu begutachten: (1) die Entwicklung der hebräischen Schriften vor der Einführung eines Kanons (2) die Datierung und der umfassende Einfluss des apokalyptischen Denkens und (3) das religiöse Milieu des Neuen Testaments.

1. Die „biblische“ Bibliothek von Kumran repräsentiert eine fließende Sequenz des biblischen Textes. Diese Dokumente zeigen keinen Einfluss der rabbinischen Rezension des Kanons, der unmittelbare Vorfahr der traditionellen hebräischen Bibel. Die Schriftrollen helfen, den pharisäischen Text sowohl als auch den Kanon in die Zeit von Hillel zu setzen, das wäre grob gesagt die Zeit von Jesus. In ihrer Auswahl von kanonischen Büchern schlossen die Rabbiner jene aus, die den Propheten oder Patriarchen vor Moses zugeschrieben wurden (z.B. die Enoch Literatur, Werke, die in Abrahams Namen und im Namen anderer Patriarchen geschrieben wurden). Sie verfolgten die Folge der Propheten von Moses bis zu den Figuren der persischen Periode.

2. Die Literatur von Kumran enthält Apokalypsen und Werke, die von apokalyptischen Motiven durchzogen sind. Die Verfasser betrachteten die Geschichte der Welt als ergriffen von einem Endkampf zwischen den Geistern der Wahrheit und den Geistern des Bösen. Dieser Konflikt ist gleichzeitig kosmisch und irdisch. Sie betrachteten sich als wahre Erben Israels und unterwarfen sich als Söhne des Lichts einem neuen Bündnis, um mit den Söhnen der Dunkelheit zu streiten. Sie waren einem strengen Gesetz unterworfen, lebten in täglicher Selbstlosigkeit, pflegten rituelle Reinigung und nahmen zeremonielle Mahlzeiten zu sich. Ihr Handbuch der Disziplin reflektiert die unmittelbare Erwartung des Himmlischen Königreiches. Ein „Lehrer der Rechtschaffenheit“ war wahrscheinlich das priesterliche Haupt der irdischen Gemeinschaft Gottes. Die Kräfte des Guten wurden von einer kosmischen Kraft geleitet oder von einem heiligen Geisteswesen, genannt „Prinzip des Lichts“. Die Verfasser betrachteten ihre Zeitalter als die Zeitalter der Vollendung. Der Messias würde bald erscheinen und „das Schwert bringen.“ Der Zusammenbruch anderer sozialer Strukturen vor dem Neuen Zeitalter stand bevor. Die Bewohner von Kumran, wahrscheinlich die Essener, erwarteten, dass der davidsche oder königliche Messias kommen und die irdischen und kosmischen Kräfte der Gottlosigkeit besiegen würde. Kommentare über biblisches Material, das in dieser Gegend gefunden wurde, legten die traditionellen Prophezeiungen im eschatologischen Sinne aus. Sie hatten keine Kirche der Erwartung.

Die Tempelrollen zeigen, dass diese jüdischen Priester Separatisten waren und die Meinung vertraten, dass der Tempelkult nicht mehr funktionsfähig war. Sie ersetzten für die Festtage den Mondkalender durch den Sonnenkalender und führten Öl- und Weinfeste ein, die im Pentateuch keine Erwähnung fanden. In dem letzten heiligen Krieg betrachteten sie sich als Kämpfer Seite an Seite mit heiligen Engeln. Sie verboten alle Unreinheit (darunter fielen auch Lame, Blinde und Kranke) in dem erhofften Tempel und auch in der Tempelstadt Jerusalem. Sie waren wenigstens für die Dauer des Krieges unverheiratet.

Die Apokalyptik sollte jetzt als ein wichtiges Element in der komplexen Matrix betrachtet werden, die den Hintergrund für die Entwicklung des tanaitischen Judaismus und des frühen Christentums bildet. Gershom Scholem schockierte Wissenschaftler dieser Periode durch seinen Nachweis der Existenz und Bedeutung des apokalyptischen Mystizismus im Zeitalter von Rabbi Akiba. Es ist jetzt notwendig, den Beginn des apokalyptischen Denkens früher anzusetzen als Wissenschaftler vorher annahmen, vielleicht schon im 4. Jahrhundert v Chr. (B.C.E.)

3. Das Neue Testament reflektiert diese apokalyptischen, theologischen Tendenzen, über die Wissenschaftler bis jetzt leicht hinweggegangen sind. Zum Beispiel: Es scheint jetzt, als seien die Gedanken und Lehren von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth ihrem Charakter nach apokalyptischer als prophetisch. Das dualistische, apokalyptische und eschatologische Rahmenwerk macht Johannes zum Jüdischsten aller vier Evangelien. Im Johannes Evangelium wird der Geist der Wahrheit als Fürsprecher und Verfechter bezeichnet. Er ist der Heilige Geist, aber wie in Kumran ist er nicht genau identisch mit Gottes eigenem Geist. Das erklärt auch, dass er nicht mit persönlicher Vollmacht spricht (Joh 16:13) Die Betonung von Licht und Dunkelheit, Einheit, Gemeinschaft und Liebe wird wiederholt und erweitert. Das Thema des religiösen Wissens im eschatologischen Sinne ist vergleichbar mit den Erklärungen in den Episteln von Paulus und dem Mathäus Evangelium. Das Lukas Evangelium zitiert fast wörtlich eine vorchristliche Apokalypse von Daniel, die in der Höhle N. 4 gefunden wurde, die sich auf einen eschatologischen König bezieht. Wir nehmen an, dass es sich hier um den königlichen Messias handelt, wie es die Titel „Sohn Gottes“ und „Sohn des Allerhöchsten“ implizieren. In dem Gleichnis vom Festmahl in Lukas 14:15-24 verurteilt Jesus diejenigen, die nach einem Rang im Königreich trachten, vielleicht als polemische Antwort auf den Ausschluss der Essener von Ihrem Festmahl, außer der Elite in der Wüste, die ihre Waren teilten und „Männer von Ruf“ waren.

Für die Essener lag das Neue Zeitalter noch in Erwartung. Für die frühen Christen war Jesus als der Messias auferstanden, der das Neue Zeitalter brachte. Beide Gemeinschaften erwarteten die volle Erlösung oder die Vollendung des Königreichs Gottes. Die Essener formten eine Gemeinschaft von priesterlichen Apokalyptikern. Die frühe christliche Bewegung war hauptsächlich von Laien Apokalyptikern zusammengesetzt, wie etwa die pharisäische Gruppe. Beide forschen bei den Propheten nach Anspielungen auf die Ereignisse ihrer Zeit. Diese Zeit verstanden sie als die „Letzte Zeit“, und beide sprachen eine Sprache, die durchdrungen war von der Terminologie jüdischer Apokalyptik.

FRANK MOOR CROSS, JR.

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DIE PERSPEKTIVE DER HEILIGEN DER LETZTEN TAGE

Wie viele Juden und viele andere Christen waren die Heiligen der Letzten Tage sehr interessiert an dem Bericht, dass alte Manuskripte aus der Neuen Testament Zeit im Jahre 1947 in Palästina gefunden wurden. Die anfängliche Begeisterung führte zu einer oberflächlichen Handhabung, zum Sensationalismus und zu Missverständnissen, aber in den Jahrzehnten nach den ersten Entdeckungen haben Heilige der Letzten Tage eine intensivere Analyse betrieben und sich mit mehreren informativen Berichten der Kumran Schriftrollen befasst, unter anderen mit Einsichten in die literarische und sektiererische Mannigfaltigkeit der jüdischen Religion während der Zeit von Jesus; mit neuen Beweisen, die sich auf die Geschichte und die Erhaltung des biblischen Textes beziehen; mit dem Fortschritt in der Wissenschaft der Datierung von hebräischen und aramäischen Dokumenten, die auf den wechselnden Stilen der Schrift beruhen und mit wertvollen Hinzufügungen zu dem Korpus der jüdischen Texte und dem Text Genre.

Heilige der Letzten Tage interessierten sich besonders für gewisse Aspekte der Kumran Schriftrollen. Zum Beispiel: Die Essener von Kumran akzeptierten den Begriff Fortlaufender Offenbarungen und des offenen KANONS, in vieler Hinsicht wie es die Heiligen der Letzten Tage tun, im Gegensatz zu den gegenwärtigen Lehren der meisten Christen und Juden. Kumran Kommentare über die Bücher von Habakuk, Nahum und anderen Propheten des Alten Testaments enthalten neue prophetische Interpretationen der Essener von den Ereignissen in der Welt in den LETZTEN TAGEN, und die Kumran Tempelrollen behaupten, dass es sich um direkte Offenbarungen für Moses handelt. Die Heiligen der Letzten Tage glauben in ähnlicher Weise, dass die Bibel nicht alle Worte Gottes enthält, dass Gott aber den Propheten im Buch Mormon und dem Propheten Joseph Smith seinen Willen offenbart hat und fortfährt, neuzeitlichen Propheten neue Wahrheiten zu offenbaren.

Die Heiligen der Letzten Tage weisen darauf hin, dass die Bibel es nicht nötig hat, ihre Einzigartigkeit zu verlangen. Die Kumran Bibliothek hat jetzt gezeigt, dass einige der gottesfürchtigsten und gehorsamsten Juden während der Zeit von Christus nicht nur zusätzliche biblische Texte sondern auch eine Vielfalt von unterschiedlichen Texten der biblischen Bücher konsultierten. Für die Essener verlangte die Heiligkeit der Schriften keinen bestimmten oder mustergültigen Text. Ihre Bibliothek enthält verschiedene Übersetzungen des Buches von Jesaja, mit wenigen Unterschieden im Wortlaut. Sie brauchten lange und kurze Übersetzungen von Jeremiah. Sie besaßen verschiedene Sammlungen der Psalmen. Diese Unvoreingenommenheit in Bezug auf biblische Wörter und Ausgaben ähnelt der Ansicht der Heiligen der Letzten Tage (siehe zum Beispiel: Verschiedene Berichte der Heiligen der Letzten Tage über die Schöpfung) Die Kumran Schriftrollen liefern Beweise, dass die aufeinander folgenden, theologischen Begriffe von (1) einem autoritativen Text (2) einem festliegenden Text und (3) einem zweifelsfreien Text ihren Ursprung in dem pharisäischen oder rabbinischen Judentum haben.

Einige Leute haben sich sehr mit Vergleichen zwischen den Bräuchen der Essener und jenen der Neuen Testament Kirche befasst oder zwischen beiden von diesen und den Elementen des Mormonismus. Zum Beispiel: Die Reinigungsriten der Essener gleichen in gewissen Punkten den Taufen des Neuen Testaments, und die rituellen Mahlzeiten der Essener kann man sakramental deuten. Einige sehen die christliche Idee der Bekehrung in der Essener’schen Lehre, dass ein Individuum durch eine bedächtige Wahl und Einweihung in die Gemeinschaft aufgenommen wird und nicht durch Geburt oder Beschneidung der Säuglinge. Einige bringen den Rat der Essener mit seinen zwölf Männern und drei Priestern in Beziehung mit Jesus’ Wahl der zwölf Apostel, unter denen Petrus, Jakobus und Johannes in besonderer Gunst standen oder mit der Organisation der Heiligen der Letzten Tage mit zwölf Aposteln und drei Mitgliedern der Ersten Präsidentschaft. Die Rolle des Neuen Testaments oder der neuzeitlichen Bischöfe scheint mit vielen Funktionen des Kumranschen maskil oder „Wächter“ übereinzustimmen.

Für Heilige der Letzten Tage ist das Auftauchen solcher Vergleiche keine Überraschung. Die Bündnisse des Alten und Neuen Testaments ähneln sich mehr als sie sich unterscheiden. (Siehe DISPENSATIONEN DES EVANGELIUMS) Sie haben beide ihren Ursprung in Gott. Allerdings gleichen sich die Ähnlichkeiten und die radikalen Unterschiede zwischen den Essener’schen Handlungen und den Lehren von Jesu Christo, von Paulus oder von der Kirche in den jetzigen Zeiten, aus. Bemerkenswert ist, dass die Essener ihre Anhänger belehrten, ihre Feinde zu hassen. Ihre Sekte war streng und exklusiv. Ihre Ideen der rituellen Reinheit verwehrten in einer wirksamen Art den Frauen den Zugang zu dem Tempel und zu der Tempelstadt Jerusalem. Solche Lehren der Essener stehen im Widerspruch zu den Lehren der späteren Christen und der Heiligen der Letzten Tage. Ähnlichkeiten zwischen den Essener’schen und den christlichen Begriffen oder den Begriffen der Heiligen der Letzten Tage sollten daher als eine Ausbreitung von Ideen unter Gruppen verstanden werden, die alte Verbindungen pflegten und nicht als Beweise einer mehr innerlichen Verbindung.

Vieles muss noch von den Kumran Schriften erforscht werden. Viele Fragmente und einige Schriftrollen sind noch nicht veröffentlicht und entziehen sich daher der Erkenntnis. Viel Licht wird vielleicht noch auf alte, jüdische Gottesdienst Muster, auf apokalyptische Literatur, Angelologie und Sektiererei, die alle außerhalb der verfügbaren biblischen Berichte liegen, geworfen werden.

BIBLIOGRAPHIE

Für eine umfassendere, allgemeine Erklärung, siehe S. Kent Brown, „The Dead Sea Scrolls: A Mormon Perspective,“ BYU Studies 23 (Winter 1983): 49-66. Hugh Nibley diskutiert breitere Muster in An Approach to the Book of Mormon, Since Cumorah, und The Prophetic Book of Mormon, in CWHN, Vols 6-8. Für eine Liste der Editionen der Schriftstellen, siehe Robert A. Cloward, The Old Testament Apocrypha and Pseudepigrapha and the Dead Sea Scrolls: A Selected Bibliography of the Text Editions and English Translations, Provo, Utah, 1988

ROBRT A. CLOWARD