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HEIMINDUSTRIE

Schon recht früh unterstützte die Kirche unterschiedliche Formen der Heimindustrie unter den Heiligen der Letzten Tage, nämlich die üblichere Form der Hausindustrie sowie die Herstellung von Kunsumgütern.  Dies sollte Sparsamkeit und Selbstständigkeit oder wirtschaftliche Unabhängigkeit unter den Mitgliedern fördern und diente als ein Puffer, um mögliche negative Einflüsse (Gier, Materialismus, Ungleichheit) zu vermeiden und Arbeit für die Armen zu beschaffen. Außerdem sollte es die Heiligen vor der Verfolgung und vor weiteren Unruhen und Vertreibungen schützen wie solche, die die Heiligen von Staat zu Staat getrieben hatten. 

Die Heimindustrie wurde 1831 ein Kirchengrundsatz, nämlich mit der Etablierung des Gesetzes der Weihung. Dieses bestand in verschiedenen Formen im 19. Jahrhundert fort (Siehe Vereinte Ordnung). Von 1831 bis 1838 trachtete die Kirche danach möglichst alle materiellen Notwendigkeiten gemäß ihres Bedarfs bereitzustellen. Die Heiligen mussten ihren Konsum freiwillig einschränken. Wenn die Produktion den Bedarf überstieg, sollten sie den Überschuss der Kirche geben. Die Mitglieder versprachen ihre Zeit, Arbeit, Energie, Fähigkeit und materiellen Besitztümer für das Wohl der Gemeinschaft zu geben. Während der Pionierzeit in Utah war es nicht ungewöhnlich Männer auf Missionen zu berufen,die dann ihre gesamte Zeit dem Aufbau von bestimmten Industrien widmen konnten (Siehe Pionierwirtschaft). 

Als europäische Bekehrte ins Gebiet Utah während der 1850er Jahre einwanderten, wurden sie gebeten Entwürfe und Werkzeuge zum Gebrauch für die Produktion mitzubringen. Heimindustrien gedeihten, weil sich unter den Einwanderern  viele erfahrene Handwerker befanden. Die Heiligen entwickelten eine Austauschwirtschaft, um eine unabhängige regionale Wirtschaft (Autarkie) zu unterstützen und Abhängigkeit von Einfuhren zu vermeiden. Führer und Mitglieder gaben den Herstellern von Häusern ihre volle Unterstützung. Diese Handwerker wurden hoch angesehen und bekamen von Kirchenführern bei Kirchenkonferenzen und staatlichen Gesetzgebungsversammlungen verbale Unterstützung. 

Somit waren im Gebiet Utah die Kirche, die Regierung und Einzelpersonen an einer kollektiven Unternehmerschaft beteiligt, welches die Einwanderung und öffentliche Arbeitsprogramme unterstützte. Der gegenseitige Austausch von Gütern und Arbeit unter den Bewohnern der Region entwickelte die wirtschaftlichen Grundlagen eines Gemeinwesens. Güter, die im Überfluss vorhanden waren und welche die persönlichen Belange überstiegen, wurden exportiert, um Geld in das Gebiet zu bringen. Zu dieser Verfahrensweise gehörte auch, dass man sich dem Aufbau des Reiches Gottes widmete. Daher förderte man die Heimindustrie mit der Warnung vor maßlosen Profiten und Spekulationen. 

Der Beitrag von Frauen war für den Erfolg dieser Wirtschaftsstrategien unbedingt notwendig.  Präsident Brigham Young ermutigte Frauen u.a. Mathematik, Buchführung und Medizin zu studieren, um als Angestellte, Buchhalterinnen, Geschäftsführererinnen, im Gesundheitswesen und anderen professionellen Bereichen arbeiten zu können, so dass mehr Männer sich auf körperliche Arbeit konzentrieren konnten (JD 13:61). 

Sowohl die Armen als auch die nicht so Armen wurden angehalten bescheidener zu leben. Frauen lernten nichts zu verschwenden, das von Bedeutung und von Nutzem war. Idealerweise sollte die häusliche und heimische Herstellung höchst notwendige Produkte zum Gebrauch für Nahrung, Kleidung und Unterkunft produzieren. Eine solche Industrie sollte Familien religiös, politisch, sozial und finanziell versorgen. 

1867 übertrug die Kirche der Frauenhilfsvereinigung die Verantwortung die Armen anzuleiten für sich selbst zu sorgen. Weibliche Heimproduktionsgesellschaften unterstützten Hausindustrien, welche Frauen und Kinder beschäftigten und Familien dazu ermutigten, keine Güter zu erwerben, die nicht Zuhause hergestellt wurden. Die Frauenhilfsvereinigung wurde ein bedeutender institutioneller Sponsor dieser Selbstständigkeitsprogramme. Beispielsweise halfen etwa 150 Einheiten der Frauenhilfsvereinigung im gesamten Gebiet dabei, Seidenraupen zu züchten und die Fasern für die jung entsprungene Seidenindustrie aufzuspulen und zu weben (Siehe Seidenraupenzucht). Der Bedarf an der Produktion von Materialien, die örtlich nicht erhältlich waren, hatte die Errichtung von Alterrnativindustrien zur Folge. Frauen experimentierten mit der Verarbeitung einheimischer Pflanzen wie der Brennessel, der Seidenpflanze und des Riesen-Straußgrases für die Herstellung von Textilien. 

Brigham Young und andere Führer förderten jeden Industriezweig, der an das gegebene Klima und Gebiet angepasst werden konnte. Eine scheinbar endlose Vielfalt an Produkten beinhaltete Federbetten, Sirup, Milchprodukte, Obst, Gemüse und Getreide, Woll- und Seidenwaren und einheimische Grasprodukte, alle Arten von Bekleidungsartikel, Besen, Tinte, Leder, Filz, Alaun, Kessel aus Kupfer, Farben, Seife, Streichhölzer, Eisenprodukte , Schulbücher, Schmuck, Perfüm, Papier, Seile, Pferdegeschirr, Wagen, Maschinen, Sackleinen, Teppiche, Werkzeuge, Zucker, Flachs, Mützen und Bauholz. 

1867-1869 waren Heimindustrien weiterhin ein wesentlicher Schwerpunkt in der Frauenhilfsvereinigung und des Sparmaßnahmenbundes der Jungen Damen. Diese Organisationen förderten die modische Gestaltung hausgemachter Artikel und rieten von dem Erwerb importierter Güter ab. Mit der Eisenbahn, die 1869 nach Utah kam, und der daraus resultierenden Einfuhr von Betrieben aus anderen Regionen waren doppelt so viele Bemühungen erforderlich, um die Unabhängigkeit der lokalen Wirtschaft zu bewahren. Ortsgenossenschaften wurden eingerichtet, um den Austausch und die Verteilung der Produkte der Heimindustrie bereitzustellen. Zion´s Cooperative Mercantile Institution (ZCMI) war eine wesentliche Einrichtung für die Umsetzung solcher Planungen. Das Warenhaus bevorzugte gemäß einer Richtlinie die Heimindustrien von Herstellern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Darüber hinaus wurden Handelskammern auf Pfahlebene organisiert, um der Heimproduktion zu helfen. Erst 1878 veröffentlichte die ZCMI eine Grundlinie, die befürwortete das bereitzustellen, was für den Inlandverbrauch nötig war und was mit dem besten Gewinn exportiert werden konnte. 

Der Erfolg der Heimindustrie der Heiligen der Letzten Tage war von der geographischen Beschaffenheit eines Gebiets, der Wirtschaft und der Ideologie abhängig. Die Ausbreitung der Vereinigten Staaten durch Migration, wozu die transkontinentale Bahnlinie beitrug, brachte der Autarkie und der protektionistischen Philosophie der HLT ein wirksames Ende. Letzten Endes beeinflussten die Wirtschaftsrichtlinien von Brigham Young und der Kirche jedoch das gesamte  Mountain West Gebiet und waren musterhaft für das  wirtschaftliche Überleben der Bewohner des Westens.  Andere Gruppen, die sich im Gebiet des „Great Basins“ niederließen, ahmten dieses Muster nach und und übernahmen es. Später wurden auf die Ideale der Selbstständigkeit, Zusammenarbeit und Vorbereitung während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre wiederum Wert gelegt. Daraus resultierte die Einführung eines Wohlfahrtsprogramm der Kirche. 

Heute ist die Heiminustrie in manchen Haushalten von Mitgliedern der Kirche immer noch eine Einkommensquelle, gewöhnlich zweitrangig und im kleinen Rahmen. Ein Einzelhandelsgeschäft, auch als Mormon Handicraft (Handwerkskunst der Heiligen der Letzten Tage) bekannt, wurde von der Kirche 1937 eingerichtet, um den Verkauf und Versand von hochwertigen, handgearbeiteten Produkten aus Heimsindustrie zu ermöglichen. Das Unternehmen Deseret Book erwarb 1986 Mormon Handicraft und betreibt gegenwärtig das Geschäft, welches für handgenähte Steppdecken, Nadelarbeiten und andere Handwerksarbeiten bekannt ist. 

In Übereinstimmung mit den Idealen, die ursprünglich die Befürwortung der Heimindustrie hervorbrachten, wird den Heiligen der Letzten Tage heute geraten einen Obst- und Gemüsegarten anzulegen, Gebrauchsartikel wenn möglich selbst herzustellen oder aufzubewahren sowie keine Schulden zu machen und eine materialistische Einstellung zu meiden. Es ist zu erwarten, dass Arbeit kimd Fleiß im Leben der Heiligen der Letzten Tage das „herrschende Prinzip“ bleiben wird. Man betrachtet die gemeinsame Nutzung der Ressourcen von jemandem für den Dienst an Armen als eine kennzeichnende Tugend eines wahren Heiligen. [Siehe auch Geschäftsleben: Beteiligung der Kirche am Geschäftsleben; Wirtschaftliche Geschichte der Kirche; Wirtschaftliche Unabhängigkeit (Selbstständigkeit); Treuhandschaft; Wohlfahrt.]

MAXINE ROWLEY