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GLEICHNISSE

Gleichnisse sind kurze didaktische Erzählungen, die dem Leser vertraute Figuren, Situationen und Sitten vermitteln. Sie sollen eine geistige Botschaft bringen, aber der Leser muss gewöhnlich die Botschaft aus der Geschichte ableiten, die gewöhnlich eine Darstellung eines Aspekts des täglichen Lebens ist. Als Geschichten verbleiben Gleichnisse manchmal leichter im Gedächtnis und sind interessanter als die direkte Unterweisung. In Gleichnissen sieht man mehrere Bedeutungsschichten und man kann sie unterschiedlich verstehen, abhängig von der Sensibilität und geistigen Vorbereitung des Hörers. Für Heilige der Letzten Tage ist es bedeutsam, dass der Herr durch den Propheten Joseph Smith einige zusätzliche Gleichnisse anbot und die während Jesu geistlichen Wirkens gegebenen Gleichnisse benutzte, um diesen Teil der Botschaft der Wiederherstellung des Evangeliums zu bereichern, der auf Ereignisse in den Letzten Tagen hinweist.

In Joseph Smiths Übersetzung der Bibel (ÜJS) überarbeitete er einige der Gleichnisse Christi, die in den synoptischen Evangelien stehen. Darüber hinaus bezog er sich oft auf Christi Gleichnisse in Vorträgen und Artikeln. In Offenbarungen vom Herrn empfing er mindestens drei Originalgleichnisse, die nicht im Neuen Testament sind (LuB 38:26-27, 88:51-61, 101:43-62). Denn er benutzte die im Neuen Testament, die er überarbeitete, weil er erkannte, dass die Bedeutung eines Gleichnisses in ihrer Relevanz zur ursprünglichen Zuhörerschaft liegt, als Interpretationsschlüssel für die Situation, die Christus dazu brachte die Gleichnisse zu erzählen (LPJS, S. 282-283). Dann interpretierte er unter Inspiration praktisch alle Gleichnisse in Matthäus 13 so, dass sie Anwendung auf die Letzten Tage oder auf die Mission der wiederhergestellten Kirche finden, um Menschen auf das zweite Kommen Christi vorzubereiten (Siehe weiter LuB 45:56, 63:53-54, LPJS, S. 97-101).

Joseph Smith zeigte, dass viele Gleichnisse Christi für die Mission der Kirche in den Letzten Tagen von Bedeutung sind. Zum Beispiel interpretiert Abschnitt 86 der Lehre und Bündnisse das Gleichnis vom Weizen und dem Unkraut so (Mt. 13:24-30, 36-43), dass es den Abfall vom Glauben und die Wiederherstellung des wahren Evangeliums Christi widerspiegelt: „Die den Samen gesät haben, dass sind die Apostel“, aber „als sie geschlafen haben…erstickte das Unkraut den Weizen und trieb die Kirche in die Wildnis“ (LuB 86:2-3). Jedoch sprießt der Weizen oder Christi wahre Kirche erneut: „In den letzten Tagen,…da der Herr anfängt, das Wort hervor zu bringen, und da der Halm wächst und noch zart ist“ (LuB 86:4). Die ÜJS wendet dieses Gleichnis auf die Letzten Tage an: „An jenem Tag, bevor der Menschensohn kommen wird, wird er seine Engel und Himmelsboten aussenden“ (JST, Mt. 13:42). Diese Engel und Boten werden berufen, um den Weizen in den letzten Tagen zu stärken, bevor die Bösen zerstört werden. Der Fokus dieses Gleichnisses wird somit die Zeit gerade vor dem Ende der Welt (LuB 101:65-66).

Andere Verweise verbinden Christi Gleichnisse noch mehr mit der modernen Kirche. Die ÜJS-Version des Gleichnisses der zehn Jungfrauen (Mt. 25:1-13) beginnt: „An jenem Tag, bevor der Menschensohn kommt, wird das Himmelreich mit den zehn Jungfrauen verglichen werden“ (ÜJS, Mt. 25:1). Die Lehre und Bündnisse beziehen sich auch auf dieses Gleichnis: „An dem Tag, da des Menschen Sohn kommt…wird es törichte Jungfrauen unter den klugen geben; und zu jener Stunde wird es eine völlige Trennung der Rechtschaffenen von den Schlechten geben“ (LuB 63:53-54, weiter 45:56-57). Über das Gleichnis vom Senfkorn (Mt. 13:31-32), „das kleinste von allen Samenkörnern: sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse“ (Mt. 13:32), schrieb Joseph Smith: „Wir können also klar erkennen, dass dieses Symbol die Kirche darstellen soll, die in den Letzten Tagen hervorkommt“ (LPJS, S. 100). Er erkannte auch eine Ähnlichkeit mit dem Buch Mormon: „Nehmen wir das Buch Mormon, das ein Mann in seinem Acker verbarg... damit es in den Letzten Tagen—oder zur rechten Zeit—hervorkomme. Betrachten wir, wie es aus der Erde hervorkommt,…es wächst hoch empor mit erhabenen Zweigen und göttlicher Würde, bis es, wie das Senfkorn, größer ist als die anderen Gewächse. Es ist die Wahrheit, und es hat gesprosst und ist aus der Erde hervorgekommen, und Rechtschaffenheit fängt an vom Himmel herabzublicken, und Gott sendet seine Mächte, Gaben und Engel hernieder, dass sie in seinen Zweigen nisten“ [LPJS, S. 100-101].

Beim Besprechen anderer Gleichnisse verglich Joseph Smith das vom großen Trog Mehl, unter den eine Frau Sauerteig mischte (Mt. 13:33), mit den drei Zeugen für das Buch Mormon (LPJS, S. 102). Der in einem Feld verborgene Schatz, für das ein Mann „alles, was er besaß, verkaufte und den Acker kaufte“, (Mt. 13:44) wird damit verglichen, wie die Heiligen „alles verkaufen, was sie haben, und sich an einem Ort sammeln, damit sie ihn als ein Erbteil kaufen können“ (LPJS, S. 103). Den „Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt“ (Mt. 13:52), verglich der Prophet Joseph Smith mit „dem Hervorkommen des Buches Mormon aus dem reichen Vorrat des Herzens,…den Bündnissen, die den Heiligen der Letzten Tage gegeben sind, [und] der Übersetzung der Bibel - somit brachte er Neues und Altes aus dem Herzen hervor“ (LPJS, S. 104).

Andere Gleichnisse wurden in den Lehre und Bündnissen benutzt, um Rat für einzelne Anlässe zu bieten. 1833 wurden Heilige der Letzten Tage in Jackson County, Missouri vom bewaffneten Pöbel aus ihren Häusern vertrieben. In einer am 16. Dezember 1833 von Joseph Smith empfangenen Offenbarung schlugen zwei Gleichnisse das angebrachte Verhalten vor. Das erste Gleichnis (LuB 101:43-62) ist ein Original, obwohl es Christi Gleichnis der bösen Winzer nachahmt (Mt. 21:33-44). Ein Edelmann sendet Diener in seinen Hain, um zwölf Olivenbäume zu pflanzen und dann den Hain zu schützen, indem sie eine Hecke pflanzten, Wächter anstellten und einen Turm errichteten. Seine Diener gehorchen zuerst, aber werden dann träge. Ein Feind kommt während der Nacht, reißt die Hecke und die Olivenbäume nieder und übernimmt den Hain. Der Herr stellt die Diener zur Rede und gebietet dann allen Männern seines Haushalts „geradewegs zum Land [seines] Weinbergs zu gehen und [seinen] Weingarten zu befreien“ (LuB 101:56). Dieses zwei Monate später in einer weiteren Offenbarung interpretierte Gleichnis (LuB 103) diente als die Grundlage für das Zionslager, eine Bürgerwehr aus HLT-Männern, die berufen wurden von Ohio nach Missouri zu marschieren, um das Land ihrer Mitheiligen wieder zu erlangen.

Das andere in der Offenbarung vom Dezember 1833 zitierte Gleichnis (LuB 101:81-91) erzählt von der Frau und dem ungerechten Richter (Lukas 18:1-8). Der Richter gewährt der Frau ihren Anspruch, weil ihr unaufhörliches Flehen ihm auf die Nerven geht. So wurden auch die vertriebenen Heiligen jener Zeit aufgefordert, „zu Füßen des Richters darauf zu dringen“, dann beim Gouverneur, dann beim Präsidenten der Vereinigten Staaten, bis sie Wiedergutmachung erlangen würden (LuB 101:85-89).

Diese Gleichnisse, wie auch andere, die er benutzte (Siehe weiter LuB 35:16, 38:24-27, 45:36-38, 88:51-61), verleihen Joseph Smiths Lehren ihren Gehalt.

BIBLIOGRAPHIE

Brooks, Melvin R. Parables of the Kingdom. Salt Lake City, 1965. 

Burton, Alma P., Hg. Discourses of the Prophet Joseph Smith, S. 196-204. Salt Lake City, 1965.

Jeremias, Joachim. The Parables of Jesus. London, 1954.

SUSAN HOWE

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